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Nach der Aufklärung eines Diebstahls in Jerusalem wird der belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot dringend in London benötigt. Um sich ein wenig zu entspannen, nimmt er das Angebot seines Freundes Monsieur Bouc, dem Direktor der Eisenbahngesellschaft, an und besteigt in Istanbul den Orient-Express.
Während der Fahrt durch Jugoslawien bleibt der Zug in einer Schneelawine stecken. Und nicht genug: Gleichzeitig wird der amerikanische Ganove Edward Ratchett ermordet aufgefunden.
Einer der exklusiven Reisenden muss der Mörder sein und Hercule Poirot beginnt zu ermitteln.
Nach den ersten Befragungen wird ihm die Verbindung zu einer lange zurück liegenden Kindsentführung klar. Aber welcher der Damen und Herren hatte nun Motiv und Gelegenheit für diese Tat?
Inhaltsverzeichnis
Original und Fälschung?
Mord im Orient-Express ist eine Literaturverfilmung des gleichnamigen Kriminalromans von Agatha Christie. Der Roman wurde insgesamt fünfmal verfilmt. Aber am bekanntesten dürfte das Werk aus dem Jahr 1974 sein, in dem Albert Finney (und nicht Sir Peter Ustinov – diesem Irrglauben gibt man sich gerne hin) die Hauptrolle des Hercule Poirot übernommen hat.
Dieser Film war damals äußerst prominent besetzt und sehr erfolgreich. Er wurde 1975 für mehrere Oscars nominiert, letztendlich erhielt Ingrid Bergmann die Trophäe für die beste weibliche Nebenrolle.
Kenneth Branagh hat sich als Regisseur, Co-Produzent und Schauspieler einem ziemlichen Risiko ausgesetzt, diesen Hochkaräter neu aufzulegen.
Ist es ihm gelungen?
Mord im Orient-Express – Meine Meinung
Wenig Botox im Spiel
Branagh hat für diesen Film ein Heer von Schauspielern verpflichtet, die wirklich ihr Handwerk verstehen. Es sind hier durchwegs Darsteller zu erleben, die über eine eindrucksvolle, aber dennoch dezente Mimik verfügen. Also Menschen, die alleine mit einem Wimpernschlag Wut, Trauer, Freude und all die feinen Facetten dazwischen ausdrücken können.
Das bedeutet gleichzeitig, dass die Botox-Quote unter den Mitwirkenden relativ niedrig gewesen sein dürfte. Vielleicht hat Judy Dench was an ihrem Gesicht basteln lassen. Aber die darf das. Denn schließlich ist sie ja die Chefin von James Bond und bald über hundert.
Wenn man die atemberaubende Michelle Pfeiffer, die mittlerweile locker auf die 60 zugeht, mit all ihren Alterserscheinungen in Großaufnahme sieht, kann man nur den Hut vor so viel natürlicher Schönheit und Anmut ziehen.
Diese Frau beherrscht ein Spektrum von lebenslustig und verführerisch über herrisch, verzweifelt, alt und verhärmt.
Mord im Orient-Express und die Schauspielkunst
Kenneth Branagh, der den Hercule Poirot mimt, gehört ja zu den Schauspielern, die auch einen Stuhl oder eine Amöbe überzeugend darstellen können. Er hat sich auch sehr gut in seine Rolle eingefunden. Aber leider ist der Ire Branagh keltischer Abstammung oder vielleicht waren seine Vorfahren auch Wikinger. Was ich damit sagen möchte: Mir fehlte in seinem Aussehen und Auftreten das frankophil-wallonische Etwas. Da er aber ein solcher Könner ist, hat er dieses Manko mit einer Art Savoir-Vivre-Snobismus überspielen können.
Johnny Depp spielt den bösen und bald ermordeten Gangster Ratchett. Möglicherweise hat er kurz vor Drehbeginn die 25. Fortsetzung von Fluch der Karibik fertiggestellt und hatte noch ein paar Narben übrig. Er hat mich nicht hundertprozentig überzeugt, aber er war ja dann bald tot.
Auf Penélope Cruz hatte ich mich schon besonders gefreut und wurde nicht enttäuscht. Aber man hätte ihr noch einen Wutanfall wie in Vicky Cristina Barcelona ins Drehbuch schreiben sollen. Denn sowas kann sie sehr gut.
Unter Strich kann man alle Schauspieler nur loben.
Die Szenerie
Der Film ist in einer opulenten Szenerie eingebunden, die eine Disney-Version der Geschichte der Eisenbahn in einem idealisiert-bunten Osteuropa des Jahres 1934 darstellt.
Es ist alles sehr schön und luxuriös und es wird sehr häufig flambiert.
Wenn man den Orient-Express von oben durch die Landschaft fahren sieht, fühlt man sich an den allerliebsten Hogwarts-Express erinnert. Und manchmal leider auch an den unsäglichen Film Der Polarexpress, in dem Tom Hanks ja jede Rolle, einschließlich der Lokomotive übernommen hat.
Schön ist die Szene beim Showdown. Alle Passagiere versammeln sich im Eingang eines Tunnels an einem langen Tisch. Assoziationen zu dem Bild Das Abendmahl von da Vinci sind erlaubt.
Meine eigentliche Kritik:
Die Anfangszene, in der Hercule Poirot in Jerusalem einen Diebstahl aufklärt, empfinde ich als eine unerträgliche Hercule-Poirot-Superman-Show, die eigentlich für nichts gut ist. Im Gegensatz dazu beginnt die Verfilmung von 1974 mit einem Abriss der Kindsentführung und dem Schicksal der Familie Armstrong, was für das weitere Verständnis des Story wertvoll ist.
Auch der Bohei, zwei exakt gleiche Frühstückseier zu finden, ist weder lustig, noch interessant.
In dieser Ausgabe von Mord im Orient-Express wird die Rolle des Dr. Abuthnot von dem US-amerikanischen Künstler Leslie Odom Jr. dargestellt. Es ist natürlich schön, dass hier ein farbiger und zugleich hervorragender Schauspieler zum Zug kommt. Aber innerhalb einer Geschichte, die im Jahr 1934 spielt, ist ein farbiger Mediziner, der dazu noch eine Beziehung mit einer weißen Frau hat, irgendwie widersprüchlich.
Fazit:
Der Film Mord im Orient-Express ist ein hervorragendes und mutiges Remake des Klassikers von 1974. Er punktet mit seiner hervorragender Besetzung und einer straffen, ausgeklügelten Regiearbeit.
Er ist spannend und zugleich sehr unterhaltsam. Die Einschlafquote war innerhalb der 114 Minuten gleich Null. Durch die winterliche Szenerie eignet er sich zudem als schöner Weihnachtsfilm für die ganze Familie (sofern die Kinder bereits ein wenig älter sind.)
Filmografisches zu Mord im Orient-Express
- Titel: Mord im Orient-Express
- Originaltitel: Murder on the Orient Express
- Originalsprache: Englisch
- Erscheinungsjahr: 2017
- Länge: 114 Minuten
- Altersfreigabe: FSK 12
- Regie: Kenneth Branagh
- Drehbuch: Michael Green
- Besetzung:
- Kenneth Branagh
- Michelle Pfeiffer
- Penélope Cruz
- Willem Dafoe
- Jonny Depp
- Judi Dench
- und andere
- Preis Stand April 2020: 8,99 Euro (Blu-ray), ab 4,71 Euro (DVD), 20,47 Euro (4K) 6,98 Euro (Prime Video)
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(Alle Angaben ohne Gewähr)
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Habt ihr den Film schon gesehen? Und kennt ihr auch das Original?
Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich auf meinem Blog Sabienes Traumwelten.
Text: Mord im Orient-Express (2017) Das gelungene Remake eines Klassikers ©sabienes-welt.de
Alle Fotos: Mord im Orient-Express (2017) Das gelungene Remake eines Klassikers ©sabienes-welt.de