Rezensionen zu den unterschiedlichsten Büchern werden auf vielen Blogs veröffentlicht. Denn viele Blogger und Bloggerinnen sind gleichzeitig auch wahre Leseratten. In der letzten Woche verärgerte dieser Artikel auf Zeit-Online nicht nur viele Buchblogger, er verunsicherte sie auch.
Die derzeitige Zeit-Hospitantin Ana Maria Michel zog hier ziemlich vom Leder und schimpfte ausführlich über die scheinbar unqualifizierten Rezensionen vieler Buchblogger oder Youtuber (Booktuber). Beim ersten Durchlesen hatte ich gleich mal ein schlechtes Gewissen, weil ich mir als mittelprächtige Hausfrau (sprich ohne jegliche akademischen Weihen) überhaupt erlaube, ein Buch auch nur am Rande zu beurteilen – und dann vielleicht sogar noch Trivialliteratur, wie Krimis oder Thriller.
Und war entsprechend sauer.
Beim zweiten Durchlesen konnte ich ein paar Körnchen Wahrheit entdecken. Aber ich bin immer noch sauer.
Denn auch ich gehöre zu den nach ihrer Meinung unterbelichteten Bloggern, die Buchtipps veröffentlichen.
Inhaltsverzeichnis
Das Körnchen Wahrheit von Ana Maria Michel
Gleich im Eingang knöpft sie sich ihr offensichtliches Lieblings-Negativbeispiel vor. Dabei handelt es sich um eine Youtuberin, die auf ihrem Kanal Melody of Books über Bücher und Book Hauls referiert. Ich habe in ein paar Clips kurz reingeschaltet – und ja, Frau Michel hat wohl ein bisschen Recht. Das ist schon recht flach und man hat nach dem ersten atemlosen „Hallo, ihr Lieben!“ den Eindruck, aus Versehen auf einen x-beliebigen Beautybloggerinnen-Channel geraten zu sein.
Tatsächlich – oder erstaunlicher Weise – haben solche Clips viel Erfolg, bzw. Klicks, was wohl auch einen Teil der Daseinsberechtigung solcher Aufführungen darstellen könnte.
Aber gönnen wir doch dem Mädel einmal ihre 15 Minutes of Fame.
Dürfen wir Blogger überhaupt Rezensionen schreiben?
Aber die Kritik, die Frau Michel übt, geht noch weiter.
Wir Buchblogger fühlen uns hauptsächlich in Genres wie Romantik und Fantasie (nur seltenst „Hochliteratur“) wohl. Wir setzen uns weniger mit dem Stil auseinander, sondern schreiben lediglich Nacherzählungen und beschäftigen uns dazu auch noch episch mit der Biografie des Autors.
- Und außerdem lesen wir nur das, was uns gefällt.
- Und alles, was wir rezensieren, gefällt uns dann aber auch.
- Dabei nicht genug: inzwischen wurden sogar etliche Verlage auf die Macht der Buchblogger aufmerksam und verschicken Rezensionsexemplare!
Ein Skandal! Fürchterlich.
Können wir überhaupt lesen?
Undank ist halt der Welten Lohn, liebe Frau Michel. Ich habe es nämlich gut und darf lesen und schreiben, was und wie ich es will! Denn letztendlich lebe nicht vom Schreiben von Rezensionen. Da ich mich nach einem Arbeitstag nicht mehr auf Horaz oder Martin Walser oder andere Hochliteratur einlassen kann und möchte, findet sich in meinem Bücherregal eher niedrig frequente Literatur. Wenn mir dann so ein Buch gefallen hat, rezensiere ich dieses auch, wenn nicht, dann ist mir meistens die Zeit zu schade.
Natürlich wird jemand mit einem abgeschlossenen Literatur- und/oder Germanistikstudium ein Buch nach ganz anderen Kriterien beurteilen, als ich dies tue. Es wäre aber schlimm, wenn dem nicht so wäre, denn dann hätte dieser hochgebildete Mensch Zeit und Geld mit einem Studium vergeudet.
Ich meine, wer lesen kann, der kann wahrscheinlich auch Rezensionen schreiben.
(Ich frage mich gerade, wo meine Rezensionsexemplare hochrangiger Verlage bleiben?)
Meine Meinung zu den Rezensionen von Buchbloggern:
Es scheint so, als wäre dieser Artikel aus einem recht elitären Ansatz heraus geschrieben worden. Wir Buchblogger werden die Feuilletonisten aus der Zeit oder der FAZ wahrscheinlich nicht ersetzen, es sei denn, die Redaktion will meine Meinung über das neueste Buch von Sebastian Fitzek oder Arne Dahl wissen. Was ich aber nicht glaube.
Ich gehe davon aus, dass die Autoren in der Hauptsache für ihre Leser schreiben und Buchblogger gehören da einfach mit dazu. Natürlich wird sich jeder Schreiberling über eine Erwähnung im Feuilleton der Zeit freuen – egal, wie sie ausfällt. Aber eine Rezension oder Buchempfehlung ist immer auch ein bisschen Werbung für das besprochene Werk.
Wenn man sich aber Gedanken macht, warum so ein Mäderl haufenweise Youtube-Klicks hat, während man sich selber durch die ungeheuer trockene Ödnis eines Studiums der Vergleichenden Literaturwissenschaft kämpfen muss, macht man in seinem Leben etwas falsch.
Und vor diesem Hintergrund halte ich den Artikel von Ana Maria Michel für ziemlich herablassend.
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Was meint ihr zu diesem Thema?
Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich auf meinem Blog Sabienes Traumwelten.
Text: Dürfen wir Blogger überhaupt Rezensionen schreiben? ©sabienes-welt.de
Alle Fotos: Dürfen wir Blogger überhaupt Rezensionen schreiben? ©sabienes-welt.de unter Verwendung eines kostenlosen Stockfotos von